Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an den Fall „Timbaland“? Der US-Produzent hatte 2006 in Nelly Furtado’s Song „Do It“ unerlaubt ein Sample aus dem SID-Stück „Acidjazzed Evening“ benutzt. Das Original wurde im Jahr 2000 von Janne Suni komponiert und veröffentlicht. Zwei Jahre später folgte auf dem C64 eine Coverversion die von Glenn R. Gallefoss erstellt wurde. Timbaland klaute diese SID-Version, brachte Passagen daraus 2005 in seiner eigenen Klingelton-Edition raus und benutzte sie später dann bei der Produktion von „Do It“ (siehe auch dieses YouTube-Video mit direktem Vergleich der einzelnen Titel). Dies kam 2008 dann ans Tageslicht: ein kleiner Skandal.
Seitdem hat sich viel in der Musikwelt als auch in der digitalen Welt verändert und inzwischen scheint es immer leichter geworden zu sein sich mit fremden Federn zu schmücken. Welche grotesken Ausmaße dies inzwischen angenommen hat, möchte ich im Folgenden zeigen, indem ich einen weiteren Plagiatsfall aus der Retro-Szene aufdecke.

Was ist denn los?

Plastic Pop von Tomas Danko in SIDPlay. Das Original stammt von 1991.

In der vergangenen Woche kam mir die Idee, dass ich auf unserem YouTube-Kanal zukünftig doch rund einstündige Videos mit Retro-Remixen hochladen könnte. Aktuell liegt es im Trend direkt über YouTube Musik zu hören und vielen Musikbereichen gibt es diese Art Videos, also warum nicht auch etwas für die Retro-Szene machen und dabei gleichzeitig einen Hinweis auf unser Webradio einblenden? Ich liebe es eben mehrere Dinge zusammenzufassen. 😉
Doch kurz nach dem Upload bekam ich von YouTube die Meldung über einen ContentID-Treffer. Das ContentID-System von YouTube durchsucht Videos nach Urheberrechtsansprüchen Dritter und meldet diese. Darauf hin kann dann beispielsweise Werbung zu Gunsten des Rechteinhabers eingebunden werden oder im schlimmsten Fall sogar das komplette Video gesperrt werden. In diesem Fall kreidete YouTube’s System mir an, dass ich den Titel „Ich lieb‘ Dich so wie Du bist (T.D.D. Love Remix)“ von Sven Rebentisch (aus dem Album Charisma) unerlaubter Weise im Video benutzt hätte. Nun gut, dass das ContentID-System gerne auch einmal irrtümlich Treffer meldet dürfte inzwischen auch Leuten bekannt sein, die nicht Videos auf YouTube hochladen. Doch als ich mir den gemeldeten Titel dann anhörte war ich doch schon etwas verwundert, denn der 2014 erschienene Titel von Rebentisch ist nahezu identisch mit einem 2006 auf RKO erschienen Remix von Tomas Danko’s „Plastic Pop, den damals apollo2k produziert hatte. Der einzige Unterschied liegt darin, dass Rebentisch’s Remix-Version rund drei Minuten länger ist und Vocals enthält.

Allein auf RKO gibt es 12 Remixes von Plastic Pop. Der Remix von apollo2k war 2006 der erste.

Was ist hier passiert?

Erfahrungsgemäß ist leider Gottes für viele Musiker das Urheberrecht ein Buch mit sieben Siegeln. Welche Samples man benutzen, welche Melodieteile man seinen eigenen Kompositionen hinzufügen darf, über all das ist oft mehr Halbwissen als alles andere verbreitet. Ebenso kann es der Fall sein, dass man ausreichend Kenntnisse vom Musikrecht besitzt und sich trotzdem dreist an den Werken anderer bedient. Nicht selten geben Musiker (wissentlich oder unwissentlich) Werke Dritter als ihre eigenen Kompositionen aus. Somit kamen für mich mehrere Optionen in Betracht:

  1. apollo2k hat seinen Remix von Danko’s Plastic Pop für Sven Rebentisch umarrangiert und ihm diesen als Backing für seine Vocals zur Verfügung gestellt. Dann wäre die Frage, ob dies mit dem Wissen und dem Einverständnis von Tomas Danko passiert ist.
  2. Sven Rebentisch und/oder T.D.D. haben bei Tomas Danko und apollo2k angefragt, ob sie den Remix für Rebentisch’s Album benutzen dürfen.
  3. Sven Rebentisch und/oder T.D.D. haben den Plastic Pop Remix einfach ungefragt benutzt.

Ich machte mich an die Recherche. Meine erste Anlaufstelle war Markus „LMan“ Klein, der Webmaster von Remix64.com. Dank ihm war es mir möglich den bürgerlichen Namen von apollo2k in Erfahrung zu bringen und diesem eine Email zukommen zu lassen. Da apollo2k bereits vor Jahren der Retro-Szene den Rücken zugekehrt hat, bekam ich leider keine Antwort von ihm. Ich musste einen anderen Weg einschlagen. Irgendwo musste es zu dem Rebentisch-Titel doch Informationen über den Komponisten und den Textdichter geben?
Der Eintrag zu „Ich lieb‘ Dich so wie Du bist“ auf Discogs weist Rebentisch als Komponist des Titels aus. Diese Erkenntnis brachte mich aber auch nicht wirklich weiter, da die Information automatisch von Discogs generiert wurde. Das hätte auch ein Irrtum oder Übertragfehler sein können. Über den Dienst Feiyr.com vermarktet Sven Rebentisch bzw. dessen Label „Gruftie-Ton“ seine Musik. Feiyr bringt die Musik als Download in die großen Shops wie Amazon, iTunes und beatport, sorgt für die Veröffentlichung auf Spotify, Deezer und YouTube (wo die Titel auch direkt im ContentID-System landen). Dabei hätten eigentlich genaue Informationen zur Produktion mit eingepflegt werden müssen, doch nirgends taucht der Name „Tomas Danko“ auf.

Ich entschied mich dazu Sven Rebentisch eine Email zuschreiben und ihn um weitere Informationen zu seinem Song zu bitten, allerdings hielt ich es noch für sinnvoll ihm nichts von meinem Plagiatsverdacht zu schreiben. Sven antwortete mir recht zeitnah und ausführlich. Er schilderte mir in seiner Email die Entstehungsgeschichte von „Ich lieb‘ Dich so wie Du bist“. Er habe die Vocals für sich als Acapella, also ohne Hintergrundmusik, aufgenommen. Kurz darauf kam es zur ersten Zusammenarbeit mit T.D.D. Hierzu schreibt Rebentisch:

T.D.D. wollte damals mit mir zusammen arbeiten und ich habe ihm meine Stimme zugesandt und T.D.D. hat die Musik dazu geschrieben. Er ist großer Fan meiner Stimme und Musik, daher habe ich gerne der Zusammenarbeit zugestimmt.

Sven Rebentisch ist im guten Glauben, dass T.D.D. (Dirk Loosen) die Musik des Remixes geschrieben hat. Dass dies nicht der Fall ist, darüber kann sich jeder im folgenden Video seine Meinung bilden.

Die Geschädigten

Nach meinem aktuellen Wissenstand gehe ich inzwischen davon aus, dass T.D.D. sich hier einfach am Retro-Remix von apollo2k bedient hat. Ohne Wissen von apollo2k und Sven Rebentisch sowie ohne Wissen und Einverständnis des Komponisten Tomas Danko.
T.D.D. hat apollo2k’s Remix noch nicht einmal nach-produziert, sondern diesen einfach bei RKO herunter geladen und dann in einem Audioeditor (auf Rasch) umgeschnitten. Geschädigt sind dadurch Danko, apollo2k und Rebentisch. Tomas Danko sollten für das kommerzielle Release seines Plastic Pop die entsprechenden Tantieme zustehen und apollo2k würden zumindest anstandshalber für seine Produktion ein paar Punkte vom HAB (Handelsabgabepreis) zustehen.
Sven Rebentisch ist in meinen Augen ebenfalls Geschädigter. Er steht mit seinem Namen für die Veröffentlichung gerade. Sollte es von seinem Album Charisma CD-Pressungen geben, so sieht er jetzt möglicherweise der Vernichtung sämtlicher Exemplare entgegen. Selbst wenn das nicht der Fall ist, so wird er die digitale Verbreitung des Albums nun gegebenfalls stoppen (müssen).
Ein weiterer Geschädigter ist die Retro-Szene. Zum einen ist es aufgrund des ContentID-Treffers den YouTubern der Szene aktuell nicht möglich apollo2k’s Plastic Pop Remix nicht ohne Content-Treffer in ihren Videos zu nutzen. Zum anderen zeigt dieser Fall eindrucksvoll auf’s Neue wie respektlos außenstehende Musiker mit den Werken aus der Szene umgehen können.

Wie geht’s weiter?

Wie es nun weiter geht liegt an Sven Rebentisch und Tomas Danko. Danko, der inzwischen für Electronic Arts arbeitet, hat noch bis 2004 selbst Musik für Computerspiele produziert. Heute ist er hauptsächlich für die Voice-Aufnahmen in EA-Spielen wie beispielsweise denen der Battlefield-Reihe verantwortlich. Als Autor der Originalkomposition steht es ihm frei weitere Schritte im hier aufgezeigten Fall einzuleiten. Sven Rebentisch kann ich persönlich nur dazu raten sich von T.D.D. und dessen Remix zu distanzieren und den Track umgehend aus allen Vertriebswegen zu nehmen. Vielleicht würde sich auch ein kurzes Statement im Forum von Remix64 anbieten.

Meinung

Erstmal vorne Weg: Auch wenn ich in meiner Einleitung das Beispiel von Timbaland und dem Nelly Furtado Song „Do It“ gebracht habe, so hat der hier gezeigte Fall natürlich eine wesentlich geringere Dimension. Er zeigt aber auch, dass sich die Großen wie die Kleinen auch mal einfach bedienen können, ohne die Zeche zahlen zu wollen. Kurioser Fun-Fact ist dabei, dass Tomas Danko auch abseits der Retro-Szene kein Nobody ist, im Gegensatz zu den allgemein eher unbekannten Rebentisch und T.D.D.
Nahm bei Timbaland noch der Große vom Kleinen, ist es im gezeigten Fall genau umgekehrt. Und es sei mir dieser eine persönlich Kommentar gestattet: Wie blöd muss ich sein, um mich so dreist bei jemanden zu bedienen, der in der Hackordnung definitiv über mir steht?
Ich selbst habe 2005 meinen ersten Retro-Remix auf RKO/Remix64 veröffentlicht und was mit apollo2k’s Remix passiert ist kann natürlich auch jedem anderen Musiker auf jedem anderen Musikportal widerfahren. Niemand von uns ist davor gefeit, dass ein anderer unsere Arbeit als die seine ausgibt. Das scheint manchmal einfach in der Natur des Menschen zu liegen. Was Sven Rebentisch angeht, so kann ich denen unter Euch, die Gothic mögen, mal den Besuch seiner Webseite ans Herz legen. Der gute Sven kann nichts dafür, dass man ihm ein gestohlenes Kuckucksei untergeschoben hat.


UPDATE 19.09.2018

Sven Rebentisch und Dirk Loosen T.D.D. haben jeweils eine kurze Stellungnahme verfasst und uns von NAG darum gebeten, diese hier zu veröffentlichen. Nerds and Geeks sind nicht für die hier zitierten Inhalte verantwortlich.

Statement von Sven Rebentisch:

Nach dem unglaublichen Schock, über die wahren Machenschaften von T.D.D. (Dirk Loosen) die ich gestern erstmalig im Netz durch den Artikel von Mitch van Hayden erfahren musste, ergriffen mich durch diese hinterhältigen Betrügereien, erst einmal innere Gefühle aus einer Mischung von Verrat, Betrug und „vor allen Leuten vorgeführt werden“.
Heute möchte ich mich unbedingt bei Mitch van Hayden bedanken. Denn durch sein engagiertes recherchieren ist heraus gekommen, wie gefährlich es ist, anderen Menschen blind zu vertrauen! Denn das habe ich (leider).
Ich habe immer gerne mit anderen Menschen zusammen gearbeitet und niemals wäre ich auf die Idee gekommen, wie man mich so dreist als Musiker, der seit über 18 Jahren, sich professionell, besonders in der schwarzen Szene (Gothic-Szene) einen festen Namen erarbeitet hat, so hintervotzig zu belügen und zu betrügen. Die gesamte Musik zum Titel „Ich lieb‘ Dich so wie Du bist“ hat er von Tomas Danko + apollo2k gestohlen und mir als sein Meisterwerk untergejubelt.
Ich war sowas von begeistert von diesem zauberschönen Stück Musik und habe mich extrem, immer und immer wieder bei Herrn Loosen für dieses außergewöhnliche, sagenhafte Können bei ihm bedankt. Ganz klar, dass ich es als richtig empfand und bei mir dachte, sowas schönes muss veröffentlicht werden und zwar richtig.

Heute möchte ich Tomas Danko und appollo2k den dringenden Tip geben, dieses wunderbare Instrumentalstück groß raus zu bringen. Ich bin von deren Musik schwer begeistert!!!
Seit der Veröffentlichung des Artikels habe ich (natürlich mit neu anfallenden Kosten) nun damit zu tun, alles zu löschen, was in „Zusammenarbeit“ mit Herrn Dirk Loosen zu Stande kam. Zudem distanziere ich mich von allem, was mit T.D.D. und mir in die Welt geblasen wurde.
Allen meinen Fans, gutgesinnten Followern, Freunden und whatever…, möchte ich mitteilen, dass es mir sehr sehr leid tut, dass auch ihr Opfer dieses von Dirk Loosen in die Welt gesetzem Kuckucksei’s geworden seid. Selbstverständlich habe ich auch andere Verdachtseier für immer gelöscht!
Zu allem Ärger muss ich noch hinzufügen, dass es bei einigen Musikportalen einige Zeit in Anspruch nehmen kann, bis alles gelöscht ist.
Ich habe gestern natürlich sofort Kontakt zu Tomas Danko aufgenommen und das tolle Verhalten von ihm, der sich mir gegenüber außerordentlich versöhnlich zeigt und mir jegliche Mitschuld abspricht ist einfach ein wahres Geschenk in diesen Zeiten.
Auf Facebook entluden sich viele viele empörte Follower (darunter Mitgeschädigte aus anderen Fällen) und überhaupt, danke ich allen, die bei klaren Verstand auf ihr Herz hören, einen Sinn für Gerechtigkeit verteidigen und bei allem was sie tun, auch immer ihre Seele mit integrieren.

Sven Rebentisch

 

Statement von Dirk Loosen T.D.D.:

Ich hab mir das Video angeschaut und ich muß dir leider recht geben es klinkt echt gleich und das ist schon der Hammer weil ich das nicht wusste .
Die zusammen Arbeit lief damals so ab das ich ich einige Wave Melodie Dateien bekam die ich eigentlich selbst mit meiner Stimme ergänzen sollte es gab auch einen Text dazu und wie ich schon geschrieben habe wurde es dann auf Myspace Veröffentlicht und dann wieder mit dem Profil gelöscht.
Im Jahr 2013 auf 2014 kam dann Sven Rebentisch mit einem tollen Text auf MP3
zu mir und da kam mir der alte Song wieder in den Kopf weil der da genau wie die Faust aufs Auge passte, darauf hin fragte ich meinem ehemaligen Partner ob ich den Song für Sven benutzen könnte worauf er mir die Freigabe gab.
Hätte ich das gewusst oder wäre ich nicht so Blauäugig gewesen hätte ich mir das schriftlich bestätigen lassen. Ich muß auch Sven Rebentisch in Schutz nehmen weil er wusste nichts von der Absprache .
Ich hoffe das Tomas Danko meine tiefste Entschuldigung annimmt und wir ein Lösung finden so das alle damit Leben können.

MfG. Dirk Loosen von T.D.D.

Tomas Danko reagierte bisher ausgesprochen locker und bat auf Facebook darum, dass man ihm Popcorn reiche, damit er die Show genießen könne.

 


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