Die Geschichte von RollerCoaster Tycoon World gleicht einem schlechten Psychothriller und ist ein Paradebeispiel dafür wie ein Publischer ein komplettes Franchise vor die Wand setzen kann. Nun versucht Atari eine seiner beliebtesten Marken zu retten indem sie einem Spiel, welches eigentlich betreits seit Dezember 2016 als veröffentlicht ist, einen neuen Entwickler spendieren.

Was bisher geschah…

Den Retro-Fans unter Euch wird „Infogrames“ sicherlich ein Begriff sein. Der französiche Publisher steht für klassische Titel wie „Alone in the Dark“ und „North & South“ ebenso wie für die Marken „Unreal„, „Civilization“ oder „Outcast„. In seiner Geschichte kauften die Franzosen recht viele Spieleschmieden auf, darunter solch große Namen wie „Ocean Software“ und „Gremlin Interactive„. Im Januar 2001 kam durch den Zukauf von „Hasbro Interactive“ die Marke „RollerCoaster Tycoon“ dazu. Zwei Jahre darauf erwarb Infogrames die Atari-Markenrechte und nannte sich in „Atari, Inc.“ um.

Die ersten drei Teile der RollerCoaster Tycoon – Serie waren sicherlich ein Erfolg, allerdings lag die Reihe einige Jahre auf Eis, da es nach der Veröffentlichung von RollerCoaster Tycoon 3 samt seinen beiden Addons Unstimmigkeiten mit dem Entwickler Frontier gab. Atari hatte zwar die Rechte an der Marke, aber schlichtweg keinen passenden Entwickler dazu. Auf der GamesCom 2014 kündigte der Publisher dann unter dem Namen „RollerCoaster Tycoon World“ einen vierten Teil an. Ein paar Monate verkündete Frontier, dass man ebenfalls an einem Freizeitparksimulator arbeitete. Damals noch unter dem Namen „Coaster Park Tycoon„, welcher später in „Planet Coaster“ geändert wurde. Ein Wettrennen zwischen dem Riesen Atari und dem relativ kleinen Studio Frontier begann.

Während Frontier auf ihre Erfahrung aus der Entwicklung von RollerCoaster Tycoon 3 sowie RCT2 (bei denen sie an den Addons gearbeitet hatten) zurückgreifen konnte, musste Atari quasi bei Null anfangen. Die Folge war der mehrfache Wechsel des Entwicklerstudios. Da der französiche Publisher seit einigen Jahren finanziell angeschlagen ist, sollte RollerCoaster Tycoon World die Kassen wieder füllen, durfte aber gleichzeitig nicht all zu viel in der Entwicklung kosten. Der erste Trailer zu RCTW wurde bei Fachpresse wie Fans katastrophal aufgenommen, so dass man nochmals den Entwickler wechselte und schließlich bei Nvizzio Creations landete. Einen jungen und leider auch unerfahrenen Studio welches bisher nur kleinere Casualgames für mobile Plattformen entwickelt hatte.

Für Dezember 2015 kündigte Atari zwei Beta-Wochenenden für RollerCoaster Tycoon World an. Zu diesem Zeitpunkt hatte Nvizzio gerade erst ein halbes Jahr am Spiel gewerkelt. Mit dem Einleuten der Beta-Phase startete Atari etwas, was man heute nur als Mega-Abzock-Kampange beschreiben kann. Zugang zur Beta erhielten nur Vorbesteller von RollerCoaster Tycoon World und somit kauften sich die Fans das Spiel, ohne wissen zu können, ob es etwas taugt. Die Beta zeigte deutlich die Schwächen von RCTW auf. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und somit waren die Fans dennoch vorsichtig damit ihre Erwartungen für das Spiel herunter zu schrauben.

Richtig wild wurde die Geschichte aber erst als im März 2016 Frontier seine Alpha-Version von Planet Coaster auf die Käufer der Early-Bird Edition los ließ. Für rund 69 Euro konnte man sich hier in die Alpha einkaufen. Dafür bekam der RollerCoaster Tycoon Fan aber genau das Spiel geboten, welches er sich seit Jahren herbeigesehnt hatte. Die Alpha von Planet Coaster war von vorne bis hinten der Beta von RollerCoaster Tycoon World überlegen.

Atari musste kontern und schickte noch im selben Monat seine RTCW in den Early Access bei Steam. Gleichzeitig landeten schon die ersten Retail-Boxen im Einzelhandel. Die Franzosen verkauften leere DVD-Hüllen die nur einen Steam-Code und den kleingedruckten Hinweis „Early Access“ enthielten zum Vollpreis.

Während Frontier in aller Seelenruhe Planet Coaster weiter entwickelte und die Spieler regelmäßig mit Updates, Infos und Livestreams versorgte, versuchte Atari den Fans und sich selbst das neue RollerCoaster Tycoon schön zu reden. Irgendein Manager bei Atari muss in dieser Zeit total den Sinn für die Realität verloren haben. Ein Excel-Tabellen-Hin-und-Her-Schieber, der in seinem Leben wohl noch nie ein Computerspiel angefasst hatte, entschloss sich auf der Suche nach einer Lösung den Konkurrenten bekämpfen zu können, dass es das beste sei die Releases von RCTW denen von Planet Coaster anzupassen. Auf die Idee, dass man vielleicht die Qualität des eigenen Produktes steigern müsste kam bei Atari zu diesem Zeitpunkt leider niemand.
Was nun geschah verdient das Prädikat „Kindergarten“. Frontier kündigte die Veröffentlichung von Planet Coaster für den 17.11.2016 an. Atari zog nach und legte den Termin für RCTW einen Tag früher auf den 16.11.2017. Während man Planet Coaster für rund 38 Euro kaufen konnte, verlangte Atari weiterhin den Vollpreis von rund 45 – 50 Euro. Der größte Unterschied lag allerdings darin, dass RollerCoaster Tycoon World schlichtweg eine Zumutung war. Angefangen von der schlechten Steuerung, der halbgaren Grafik bis hin zu den zahlreichen Bugs während Planet Coaster unter den Fans schnell den Status eines würdigen Nachfolgers von RollerCoaster Tycoon 3 erhielt.

der aktuelle Stand

Frontier veröffentlicht seit nun fast einem Jahr regelmäßige Updates zu Planet Coaster, welche nicht nur Bugfixes sondern auch neuen Content enthalten. Des Weiteren gibt es bereits die ersten kleineren DLCs und auch größere Addons sind für die nahe Zukunft angekündigt.
Wenn man dagegen auf Seiten Ataris ehrlich ist, so gehört RollerCoaster Tycoon World zu einem ihrer größten Flops. Weniger finanziell, dafür aber hinsichtlich des Schadens für den Ruf des Franchises. Das Spiel hat sich nur aufgrund seines Namens verkauft und ist genau genommen immer noch nicht fertig. Dies scheint man bei Atari nun endlich eingesehen zu haben. Oder vielleicht konnte man mit RTCW nun genug Gewinn erwirtschaften, um die Sache jetzt doch ernsthaft angehen zu können. In einer kurzen News auf Steam kündigte Atari in dieser Woche an, dass man den Entwickler (wieder einmal) wechseln werde, um das Spiel so weiter verbessern zu können.

Hello Tycoons,

We know you have been eagerly awaiting news on the continued support and development of RollerCoaster Tycoon World and we greatly appreciate your patience.

First and foremost, we would like to extend a big thank you to all our fans for your feedback and support of the game. We remain committed to the continued development of RCTW and have moved these efforts to a new team. During this time, we have performed an in-depth review of the game and have identified issues that we want to address over the coming months.

The switch to this new team allows us to focus our efforts on improving the game and addressing any issues that players may experience. Moving forward, our core focus will be on bug fixing and providing new PxP asset packs.

We are currently working towards our next update and will have more news to share soon.

Thank you again for your support and keep building and sharing your incredible park creations with us!

Best,
Team RCTW

Auffällig ist, dass man in der News den neuen Entwickler nicht namentlich nennt. Ebenso spart sich Atari ins Detail zu gehen. Lediglich mit der Ankündigung eines Spieler gegen Spieler Modus könnte sich RCTW noch vom Konkurrenten Planet Coaster absetzen. Fraglich bleibt also was genau in den kommenden Monaten auf die Spieler zukommen wird und ob der Entwicklerwechsel zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch einen Sinn macht. Fakt ist, dass Planet Coaster seinen Verkaufspreis von 38 Euro bis heute gehalten hat, während man den Preis von RollerCoaster Tycoon World bereits auf 14,99 Euro gesengt hat. Ein klarer Indikator für die Qualität beider Spiele.

Quellen: News auf Steam, RTCW auf Steam, Planet Coaster auf Steam