Noch in der letzten Woche fasste ich in meinem Kommentar zusammen, wie sehr sich große Publisher mit ihren strategischen Ausrichtungen immer mehr Richtung Abgrund bewegen. In dem Artikel erwähnte ich auch kurz Helldivers 2, ein Game, welches aktuell total durch die Decke geht. Ich habe inzwischen einige Stunden Spielzeit in Helldivers 2 gesammelt und verrate Euch, was das Game so viel richtig und besser macht als viele AAA(A)-Titel.

Auf der Webseite des schwedischen Studios Arrowhead steht in großen Lettern: „Ein Spiel für Alle ist ein Spiel für Niemanden!“. In dem 2008 von einigen Studenten gegründete Studio hat man das verinnerlicht, von dessen Erkenntnis die Manager bei einigen großen Verlegern noch weit entfernt sind. Bei Arrowhead wollte man nie dem Anspruch gerecht werden „allen zu gefallen“. Vielmehr wollte man in dem Segment, in dem man sich befindet, und mit den Mittel, welche einem zur Verfügung stehen, einfach nur das bestmögliche Spiel auf die Beine stellen. Wo ich in den letzten Jahren bei Battlefield, Call of Duty usw. nur noch Abstriche im Puncto Gamedesign gesehen habe, macht Arrowhead’s Helldivers 2 kompromisslos alles richtig. Im Folgenden zähle ich Euch die wichtigsten dieser Design-Entscheidungen auf.

Arrowhead auf ihrer Website über Helldivers 2: A game for everyone is a game for no one.

Vorab aber noch kurz erklärt, worum es sich bei Helldivers 2 eigentlich handelt. Das Helldivers-Universum spielt in einer Welt in der die Menschheit vom Planeten „Über-Erde“ unter Kontrolle der „gelenkten Demokratie“ steht und sich in der Galaxie breit macht um die Freiheit zu verteidigen. Ähnlichkeiten zu 1984, Starship Troopers, Terminator und StarCraft sind dabei natürlich vollkommen unbeabsichtigt. 😉 Dabei orientiert sich Helldivers besonders an den bitterbösen Humor von Starship Troopers. Während man im ersten Teil seinen Helldiver noch in der Vogelperspektive in den Kampf geschickt hat, spielt man Helldivers 2 aus der Third-Person-Perspektive bzw. je nach Waffe auch aus der Ego-Ansicht. Ihr seid einer von maximal vier Helldivers die gemeinsam in den galaktischen Krieg zur Verteidigung von Demokratie und Freiheit an zwei Fronten kämpfen. Auf der einen Seite der Galaxie zieht Ihr gegen die Bugs in die Schlacht, auf der anderen Seite warten die Roboter. Die Frontverläufe sind dabei dynamisch und hängen vom Erfolg und Misserfolg aller Spieler ab.

Helldivers 2 ist simpel gesprochen ein Koop-Shooter, welcher aktuell für die PlayStation 5 und für den PC auf Steam verfügbar ist. Der Publisher von Helldivers 2 ist SONY, weshalb der Titel wohl vorerst nicht auf XBox-Konsolen kommen wird. Nach anfänglichen Serverproblemen läuft das Spiel seit ein paar Tagen rund und stellt täglich neue Spielerrekorde auf. Dabei überzeugt das Game durch seine Inszenierung, der starken Immersion, der Grafik, dem Sound, der Musik, die passender nicht sein könnte, und natürlich durch eine Menge positiver Design-Entscheidungen.

Aber woher kommt der Erfolg genau? Es gibt nicht den einen Punkt, an dem man festmachen kann, warum das Spiel aktuell so beliebt ist. Wie so oft im Leben ist der Erfolg eher einer Verkettung von mehreren Umständen geschuldet.

Unerwarteter Erfolg: Helldivers 2 holt im All-Time-Peak fast 70 mal mehr Spieler ab als sein Vorgänger.

1) Setting

Zum einen ist es cool gegen Bugs oder Terminator-gleichen Robot-Armeen in die Schlacht zu ziehen. Doch Arrowhead garniert dieses Setting mit jeder Menge schwarzem Humor, der wie das große Vorbild „Starship Troopers“ auch vor Gesellschaftskritik nicht halt macht. In Zeiten in denen sich Linke, Rechte, Trans, Cis, Homo, Hetero und whatever in den sozialen Medien die Köpfe einschlagen, kommt Helldivers 2 wohltuend politisch unkorrekt daher. Der Spieler kann sich zwischen einem schlanken und stämmigen Körperbau und einer Auswahl von männlichen und weiblichen Stimmen entscheiden. Letztere können auch per Zufall gewählt werden. So kann es passieren, dass mein Helldiver mit einer männlichen Stimmer in den Kampf zieht und nach seinem Tod mit einer weiblichen Stimmer wieder ins Spiel einsteigt. Arrowhead zeichnet damit recht gut auf, wie ersetzbar ein Menschenleben in diesem Universum ist und schafft gleichzeitig den Spagat zwischen Gleichberechtigung und übertriebener Wokeness. Herrlich!

2) Inszenierung und Immersion

Helldivers 2 inszeniert sich wie ein „Michael Bay“-Film. Übertriebene Gegnermassen, übertriebene Explosionen, übertriebene Schwierigkeitsstufen, garniert mit schicker Grafik und fettem Sound. Trotz der Third-Person-Kamera hat man das Gefühl mitten drin zu sein und dieses Gefühl macht auch vor dem eigentlichen Hauptmenü nicht halt. Einmal ins Spiel gestartet, landen wir auf unserem Kriegskreuzer, mit dem wir in den Orbit über unseren Einsatzort fliegen, auf dem wir unsere Mitspieler begrüßen, die nächste Mission auswählen und gemeinsam in die Schlacht ziehen. Wo Branchenriesen nur mit klassischen – und heutzutage oft nervig zusammengekürzten – Menüs aufwarten können, sind Menüfunktionen in Helldivers 2 Teil des Gameplay-Loops. Nach Auswahl der Mission steigen wir in unseren Hellpod und werden auf die Planetenoberfläche geschossen. Hinter der dazu gehörenden Animation versteckt sich der Ladebildschirm, so dass es vom Orbit direkt in den Landanflug geht. Am Ende der Mission werden wir von einem Shuttle wieder vom Planeten zum Schiff hoch gebracht. Auch hier wird der Ladebildschirm kaschiert. Dieses Mal indem man den Flug zum Kreuzer mit einer Übersicht zu unserem glorreichen Sieg überbrückt. Wir bleiben von Anfang bis Ende mitten drin, statt nur dabei.

3) Hardcore ohne Bambi-Schutz

Wenn Du neu oder einfach nur schlecht in Shooter-Spielen bist, dann kannst Du in Helldivers trotzdem Deinen Spaß haben, denn dann machst Du einfach nur Missionen bis maximal mittleren Schwierigkeitsgrad. „Mittel“ bezeichnet dabei die dritte Stufe von aktuell neun Graden im Spiel. Einige wenige Leute aus der verwöhnten Casual-Konsolen-Generation bekommen aber schon den kalten Angstschweiß auf der Stirn, wenn sie zum ersten Mal feststellen müssen, dass es in Helldivers 2 „Friedly Fire“ gibt. Darauf zu achten seine Teammates nicht zu töten ist ein Teil des Gameplay-Loops, den ich in modernen Spielen heute nur noch finde, wenn diese auch einen sog. HardCore-Modus besitzen. Dabei macht es in einem Koop-Shooter absolut Sinn, wenn Friendly Fire aktiviert ist. Obendrein kommt es nicht selten gerade wegen des Teamschadens zu ausgesprochen lustigen Situationen, wenn beispielsweise ein Teammate seinen Airstrike-Marker zu kurz wirft und man im Spachchat nur noch „Oh Fuck! Rennt, Leute, rennt!“ hört.

4) Quality of Life ohne überladen zu sein

Da wo moderne „Quality of Life“-Funktionen Sinn machen sind diese auch in Helldivers 2 zu finden. Dagegen gibt es aber auch Dinge auf die bewusst vom Entwickler verzichtet wurde. Bestes Beispiel ist hier das nicht vorhandene Auto-Reload. Ist ein Magazin einmal leer geschossen, so muss man den Nachladevorgang manuell auslösen. Auch dies kann zu lustig-hektischen Situationen führen. Ergänzt wird diese Mechanik mit der Tatsache, dass man nicht genutzte Munition aus getauschten Magazinen verliert. Wer also nach jedem Schuss nachlädt steht schnell nackt auf dem Schlachtfeld. Dies zu vermeiden hilft das klar strukturierte HUD, auf dem man via Balkenanzeige die ungefähre Restmenge an Patronen im Magazin abschätzen kann. Weitere Funktionen wie Kartennavigation und 3D-Spotting für’s Team sind natürlich auch vorhanden und obwohl recht komfortabel umgesetzt, wiederum auf das Nötigste reduziert. Ein Soldat der auf die Karte schaut kann sich bewegen, aber nicht schießen. Jemand der nachlädt ist dagegen, je nach Waffe, in seiner Bewegung mehr oder weniger eingeschränkt. 

5) Nicht nur Ballern

Kaum zu glauben und wahrscheinlich eine absolute Überforderung für die Generation CoD: In Helldivers 2 gibt es Objectives! Klar, es gibt die simplen Einsteigermissionen wie „Töte alle Gegner“. Doch desto weiter man ins Spiel eintaucht, umso anspruchsvoller können die Missionen werden. Nicht selten sind Aufgaben im Spiel mit kleinen Minigames verknüpft. Spieler müssen also manchmal auch mit- und nachdenken. Einige Missionsziele und die Anforderung von Unterstützung und Gadgets müssen per Tastenreihenfolge, ähnlich alter PlayStation-Cheats, geschehen. Hoch, hoch, links, runter, rechts, rechts, hoch. Auch verstorbene Mitspieler müssen wir über so eine Kombination zurück aufs Schlachtfeld holen. Mach das mal, wenn Dir eine Horde wütender Bugs auf den Fersen ist!

6) Problemlos zusammen- und nicht zusammenspielen

Nachdem die anfänglichen Serverprobleme nun der Vergangenheit angehören, ist es in Helldivers 2 recht unkompliziert, gemeinsam mit seinen Freunden zu spielen. Crossplay ermöglicht PS5- wie auch PC-Spielern, sich auf einem Spielerschiff zusammenzuschließen. Wer solo in die Schlacht geht (oder einfach keine Freunde hat), dem können andere Spieler beitreten. Auch ist es möglich, seinen Freunden in eine Schlacht nachzufolgen, solange deren Team nicht voll ist. Eine Funktion, die in den letzten Jahren aus anderen Spielen mehr oder weniger gestrichen wurde.
Aber was soll man machen, wenn man mal einen teamkillenden Troll oder einen Cheater in seiner Lobby hat? Auch daran haben die Entwickler gedacht, denn der Lobbyhost kann andere Spieler jederzeit raus werfen.
Seitdem es besonders im Bereich der Online-Shooter immer seltener der Fall geworden ist, dass man eigene Server hosten kann, sind solche administrativen Funktionen in Shootern kaum noch zu finden. In den neusten Ablegern der Platzhirsche Call of Duty und Battlefield ist nach Meinung der Entwickler schon ein Kick-Vote zu viel des Guten.

7) Die Preispolitik und die Microtransactions

Helldivers 2 kostet aktuell rund 40 Euro und hat somit für ein reines Koop-Spiel ohne Solo-Kampagne einen recht fairen Preis; besonders wenn man als krasses Gegenbeispiel Ubisoft’s AAAA-Title Skull & Bones dagegen hält, dem ein Einstiegspreis von 40 Euro bestimmt auch gut getan hätte. Wie heute üblich, gibt es auch in Helldivers 2 Microtransactions. Im Shop lassen sich kosmetische Verschönerungen kaufen und „Premium-Helldivers“ haben Zugriff auf einen gesonderten Freischaltbaum. Beides macht aber weniger einen Pay2Win-Eindruck. Hervorzuheben ist dabei die Preisgestaltung, denn Ingame-Credits können für Echtgeld in Paketen zwischen 1,99 und 19,99 Euro erworben werden. Man vergleiche dies mit einem Diablo 4, bei dem man den AAA-Vollpreis zahlt und im Shop dann Pakete im Wert von bis zu 149,99 Euro erwerben kann. Dagegen ist die Preispolitik von Helldivers 2 schon etwas angenehmer.

Fazit

Arrowhead trifft mit seinem Spiel zur richtigen Zeit den richtigen Nerv der Gamer. Die hervorragende Umsetzung tröstet über kleine noch vorhandene Fehler im Spiel hinweg. Neben Teamplay, Taktik und Skill werden Zugänglichkeit, Panik und Chaos teil des Gameplay-Loops. Und das alles zu einem Preis der, wie ich finde, vollkommen in Ordnung geht. Das Spiel mag nicht für jeden was sein, aber die aktuellen Zahlen zeigen, dass es zumindest was für recht viele Gamer ist. Wer dem Setting etwas abgewinnen kann, der sollte sich Helldivers 2 unbedingt anschauen.