2016 stellte Activision einen recht unangenehmen neuen YouTube-Rekord auf, denn über 3,4 Millionen Zuschauer gaben dem Trailer zu Call of Duty: Infinite Warfare bereits Monate vor Veröffentlichung des Spiels einen Dislike. Dem entsprechend fielen die Verkaufszahlen des neusten Ablegers der CoD-Reihe für einen Triple-A-Titel auch recht bescheiden aus. Nun gab mal Seitens Activision offiziell zu: „Die Szenerie von CoD: Infinite Warfare ins All zu verlegen war ein Fehler!“.
Natürlich beließ man es nicht nur bei einem simplen Zugeständnis und fügte der Aussage hinzu, dass Infinite Warfare den CoD-Fans eine Tonne an großartigen Gameplay-Innovationen liefere, aber es ebenso Elemente besäße, die von den Fans nicht angenommen wurden.
“Infinite Warfare had a ton of great gameplay innovations that many of our fans appreciated, but it also had a setting that didn’t appeal to all of our fans.”
Quelle: vgpwn.com
Mitch’s Meinung dazu
(Kolumne)
Szenekenner (zu denen ich mich in diesem Fall auch zähle) kritisieren schon länger den Weg, den Acitivision mit der Call of Duty Serie eingeschlagen hat. Seit CoD: Modern Warfare 2 wurden immer mehr Weichen gestellt, die früher oder später zum Ende der Reihe führen könnten. Inzwischen arbeiten drei unterschiedliche Studios (Infinity Ward, Treyarch und Sledgehammer Games) daran jährlich zum Weihnachtsgeschäft den Fans ein neues CoD aufdrücken zu können. Jedes Studio lässt seine eigenen „Innovationen“ ins Spiel einfließen, welche dann zum Großteil vom nächsten Studio übernommen werden. Dabei setzt man immer noch auf die ursprüngliche Engine vom ersten Call of Duty Teil, welche wiederum eine lizenzierte ID-Tech3 Engine (besser bekannt als Quake 3 Engine) war. Im Laufe der Jahre hat man diese Engine immer weiter „gepimpt“ und meine Kontakte bei Treyarch (dort arbeiten inzwischen zwei Personen, die mit mir im MOD-Team der Star Wars MOD „Galactic Warfare“ für CoD4 waren) sind der Meinung, dass man noch viel mehr aus der Engine raus holen könnte. Doch gleichzeitig ist man sich auch bewusst, dass man in der Engine von Version zu Version immer mehr Altlasten angesammelt habe. Angesichts der Konkurrenten wie z.B. der Frostbite-Engine (u.a. Battlefield), der Cry-Engine (u.a. Star Citizen) oder der Unreal4-Engine zieht die CoD-Engine heute, meiner Meinung nach und wenn man ehrlich ist, doch leider den Kürzeren.
Seit MW2 basiert der Multiplayer in Call of Duty auf einem Matchmaking-System (IWNet), statt auf einer Infrastruktur bestehend aus dezidierten Servern. Mit CoD: Black Ops machte Treyarch eine Ausnahme und bot den Spielern ein System ausschließlich bestehend aus mietbaren dezidierten Servern an, kehrte aber danach wieder zum Matchmaking zurück. Dezidierte Server sind inzwischen nur noch ein Sahnehäufchen oben drauf. Wer in CoD Punkte machen und seinen Charakter aufleveln will, der muss auf das Matchmaking zurückgreifen. Black Ops III bekam, als erstes CoD nach längerer Zeit, im Sommer 2016 MOD-Tools und dezidierte Server verpasst. Doch die Intention dahinter dürfte vielen Szenekennern recht schnell klar geworden sein: „Neue Ideen müssen her!“. Spieltypen wie zum Beispiel „Gungame“ oder „Last Bullet“ stammen direkt aus der Community, die zu den Zeiten der CoD-Teile 1, 2, 4 und 5 recht aktiv war. Mit CoD 6 (Modern Warfare 2) verschwanden die MOD-Tools und so versiegte eben auch der Input aus der Community.
Zur veralteten Engine und den zumeist fehlenden MOD-Tools und Servern gesellt sich als letzter Kritikpunkt „das Setting„. Die Szenerie der Call of Duty Serie ging in den letzten Jahren stetig fort vom ursprünglichen zweiten Weltkriegs Setting. Immer futuristischer wurden Waffen, Maps und Geschichten bis hin zum heutigen Stand: Call of Duty ist zu einem SciFi-Arcade-Shooter geworden. Ein Spiel was die Fans so nicht mehr akzeptieren können, geschweige denn haben wollen. Wobei man das auch nicht so einfach sagen kann: Black Ops III gehört trotz oder vielleicht sogar wegen seiner SciFi-Elemente für mich zu einem der besseren Call of Duty – Teile. Wahrscheinlich aber deshalb, weil man hier klassische CoD Elemente geschickt mit neuen kombiniert hat, ohne dass das eigentlich CoD-Feeling darunter leidet. Infinite Warfare ist dieser Spagat nicht gelungen.
Activisions Gelddruckmaschine wurde ein herber Schlag in die Rippen verpasst, den in erster Linie der CEO „Bobby Kotick“ zu verantworten hat. Er war es, der einst verlauten ließ, dass man jährlich ein neues CoD haben möchte. Dabei hat er sich ganz auf den Erfolg der Reihe verlassen und vollkommen außer Acht gelassen auch einmal über den Tellerrand hinaus zu schauen. Dank der Fusion von Activision und Blizzard ist der Konzern heute zwar immer noch der nach Umsatz gerechnet weltweit größte Spielepublischer, doch erachte ich es als Fehler auf Seiten Activsion alles auf eine Karte zu setzten, welche man nur von Jahr zu Jahr etwas auffrischt. Man rufe sich die Website von Activision in der Rubrik Spiele auf uns schaue, welche AAA-Titel denn dort erscheinen. Neben CoD (und vielleicht noch GuitarHero) gibt es da nicht viel mehr. Ein Indikator dafür, dass man alles auf ein Pferd gesetzt hat ohne eine langfristige Planung zur Hand zu haben. Ein Indikator dafür, dass man (wie bei so vielen anderen Unternehmen der Branche auch) jemanden als CEO eingesetzt hat, der keinen wirklichen Bezug zur Essenz seines Jobs besitzt. Als finanzielles Fangnetz, falls doch mal etwas schief geht, nutzt man offenkundig die generell sehr erfolgreichen Blizzard-Spiele. Doch wo findet man auf der Activision-Webseite die wirklichen Innovationen? Welche neuen Spiele-Engines stehen dem Publisher zur Verfügung? Welche neuen Konzepte gibt es? Womit will Activision in einigen Jahren seinen Umsatz erwirtschaften, falls es wirklich demnächst zum CoD-Kollaps kommt?
Man kann nur hoffen, dass der wirtschaftliche Misserfolg von Call of Duty: Infinite Warfare in der Activision-Chefetage wie auch bei den drei Entwicklerstudios einige Mitarbeiter von ihrem hohen Ross wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat. Call of Duty benötigt dringend eine Generalüberholung, doch die Konzepte für die drei nächsten CoD-Teile stehen bereits. Sledghammer wird seinen Teil dieses Jahr im Herbst veröffentlichen. Ein Jahr später folgt Treyarch und in 2019 wäre wieder Infinity Ward dran. Die Frage lautet: Was kann man wie kurzfristig noch ändern ohne ein ganzes Spiel zu versauen? Warten wir’s mal ab und lassen es auf uns zu kommen…